Freitag, 19. Juni 2009

Die lesende Queen








Alan Bennett
Die souveräne Leserin 
Originaltitel: The Uncommon Reader 
aus dem Englischen von Ingo Herzke
 
ISBN: 978-3803112545 . 120 Seiten 


Die Hunde sind schuld. Beim Spaziergang mit der Queen rennen sie los, um den allwöchentlich in einem der Palasthöfe parkenden Bücherbus der Bezirksbibliothek anzukläffen. Ma'am ist zu gut erzogen, um sich nicht bei dem Bibliothekar zu entschuldigen, leiht sich ebenfalls aus Höflichkeit ein Buch aus - und kommt auf den Geschmack.

Erster Satz: Auf Windsor gab es ein abendliches Staatsbankett, und als der französische Präsident seine Position neben Ihrer Majestät eingenommen hatte, reihe sich die königliche Familie dahinter auf, und die Prozession setze sich langsam in Richtung Waterloo Chamber in Bewegung.  

Ich weiß nicht genau was ich sagen soll. Eine lesende Queen, schon allein die Vorstellung finde ich doch sehr befremdlich. Genau diesen Konflikt beschreibt Alan Bennett in seinem Buch. Durch einen Zufall steht die Quenn bei einem Spaziergang mit ihren Hunden plötzlich vor einem Bücherbus, dort leiht sie dann auch Anstand ein Buch aus und beginnt zu lesen. Von da an wird ihr das Leben bzw das Lesen nicht leicht gemacht. Über weite Passage habe ich mich ziemlich amüsiert. Alan Bennett schreibt sehr ironisch und komisch. Die Queen ist mir auch direkt sympatisch geworden, was sie mir außerhalt des Buches nicht ist. Sie hat über das Lesen hinaus alles andere schleifen lassen oder sogar vergessen. Die Etikette rückte in den Hintergrund und das Lesen immer mehr in den Vordergrund. Auf der Rückseite des Buches steht: "Eine Liebeserklärung an die Queen und an die Literatur - wer hätte gedacht, dass das zusammen passt?" Für mich passt es zusammen, es passt sogar wunderbar zusammen.

Ich vergebe:

smilies smileys smilies smileys smilies smileys smilies smileys  4 von 5 Sonnen

Lieblingstellen: 

"Wie weit sind Eure Majestät denn gelangt?" "Na, bis zum Ende. Wenn ich ein Buch anfangen, dann lese ich es auch bis zum Schluss. So bin ich erzogen worden: Bücher, Butterbrote, Kartoffelbrei - was auf dem Teller ist, wird aufgegessen. Das war schon immer meine Philosophie." [Seite 12]"

... aber Informieren ist nicht gleich Lesen. Es ist im Grunde sogar der Gegenpol des Lesens. Informationen sind kurz, bündig und sachlich. Lesen ist ungeordnet, diskursiv und eine ständige Einladung. Information schließt ein Thema ab, Lesen eröffnet es." [Seite 22]

"Lesen war nicht viel mehr als Zuschauen, Schreiben jedoch war Tun, und Tun war ihre Pflicht." [Seite 98]"Die Zeit vertreiben?" fragte die Queen. "Bücher sind kein Zeitvertreib. Sie handeln von anderen Leben. Anderen Welten. Man will sich ganz und gar nicht die Zeit vertreiben, Sir Kevin, man wünscht sich im Gegenteil mehr davon. Wenn man sich die Zeit vertreiben wollte, könnte man nach Neuseeland reisen."

"Bücher sind etwas Herrliches, nicht wahr?", sagte sie zum Vizekanzler, der zustimmte. "Auch wenn sich das vielleicht eher nach einem Steak anhört", fuhr sie fort, "sie machen einen zarter." [Seite 101]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen